Michaela Hampf
2.8.2019 Freitag: Eintreffen in Craobh Haven am Freitagnachmittag. Crew: Irene, Ida, Andreas M, Andreas L., Erhard als Skipper und Michaela als Co-skipperin. David Lyle, unser Vercharterer, ist ein echtes Original und sehr entgegenkommend. Er überlässt uns für die erste Übernachtung die TARSKARVAIG, eine Hanse 400, fährt Irene und Ida nach Oban zum Einkaufen und überlässt uns dann sein Auto als Zwischenlager.
1. Planung: | Nachdem wir für unseren Clubtörn verschiedene Segelreviere von den Lofoten bis ins Mittelmeer kontempliert hatten, konnten wir uns leicht auf die Gewässer der schottischen Westküste, der ‚Highlands and Islands’ als besondere und schöne Herausforderung einigen. Die Gezeitenströme in diesem Revier zählen zu den stärksten Europas, wenn nicht der Welt. Passage planning erfordert genaue Zeitplanung; Wetter- und Windbedingungen wechseln häufig und schränken die Optionen zusätzlich ein. Die Törnplanung muss unter diesen Bedingungen flexibel sein. Viele ‚Häfen’ haben nur Bojen- oder Ankerplätze, die auch nur bei ganz bestimmten Windbedingungen geschützt und sicher sind. Neben den nautischen Vorbereitungen erschien der bevorstehende Brexit im Vorfeld eine weitere Herausforderung zu werden. |
2. Vorbereitung: | Zur Vorbereitung haben wir uns mehrmals getroffen. Publikationen von Delius Klasing bis SailScotland wurden zusammengetragen. Wegen Überlegungen zum Naturschutz wurden besonders Fragen von Energie- über Müllmanagement bis Verproviantierung besprochen. An nautischer Literatur wurde folgendes beschafft: Kartensätze: Übersegler von Kapitän Dammeyer; Admiralty Leisure Chart Folio: West Coast of Scotland. Mull of Kintyre to Point of Ardnamuchan; Admiralty Leisure Chart Folio: West Coast of Scotland. Point of Ardnamuchan to Shiant Islands; C65 Scotland West Coast: Crinan to Mallaig and Barra, Imray, August 2017; C66 Scotland West Coast: Mallaig to Rubha Reidh and Outer Hebrides. Imray, April 2017; C67 Scotland West Coast: North Minch and Isle of Lewis, Imray November 2017. Nautische Literatur: Admiralty Tidal Stream Atlas vom UK Hydrographic Office. Reeds: Skye and Northwest Scotland, 2018. Cruising Scotland Pilots Clyde Cruising Club, The Clyde to Cape Wrath, Imray. Quellen zur Wettervorhersage: Freie Universität Berlin http://wind.met.fu-berlin.de/ DWD – Bodendruckkarten 24 bis 108 Stunden voraus. SMS Service von Meeno Schrader Zeitungen und Radio vor Ort. Aushänge bei Hafenmeistern, Auslagen in Pubs. UKW Stornoway Coast Guard um 1310, 1610, 1910 auf VHF 08 Windfinder.com Windy.com |
3. Verlauf: | Im Verlauf der Reise wurden wir belohnt mit einer grandiosen Landschaft – einem Revier, das viele Überraschungen bereit hielt und Begegnungen mit sehr netten Menschen. Gerne wären wir bis zu den einsamsten Inseln Großbritanniens im Atlantik – St. Kilda – gesegelt. Dennoch waren auch die enge Ansteuerung von Loch Tarbert, die Passage des Corryvreckan und die Nachtfahrt von Stornoway nach Lochalsh besondere Erlebnisse, die sich sehr eingeprägt haben. Unser Törn führte uns zunächst nach Nordwesten, über Loch Aline, Rum und Scalvaig nach Mallaig und Lochalsh und Portree. Von da zu den Äußeren Hebriden nach Scalpay und Stornoway, unserem nördlichsten Hafen. Danach segelten wir durch die Nacht wieder südwärts zurück nach Lochalsh und Mallaig. Von dort mit neuer Crew über Torr an Albanaich dann weiter nach Tobermory, Loch Aline, Oban, weiter zur Carsaig Bay und über Gigha nach Port Ellen auf der Insel Islay, dem südlichsten Punkt der Reise. Von dort segelten wir über Loch Tarbert und durch den Corryvreckan nach Crinan. Auf diesen Etappen machten wir Bekanntschaft mit extremen Tiden- und Strömungsverhältnissen. Nach einem Besuch des Ardfern Yacht Centers endete der Törn wieder in Craobh Haven. |
3.8.2019 Samstag: Als gegen Mittag die EVENSTAR reinkommt, sorgt die französische Familiencrew auch gleich für Hafenkino. Bis wir an Bord können ist es 13:30 Uhr. Erhard und Michaela machen die Übergabe mit David, der noch mehrmals zurückkommt und zusätzliche Seekarten und weitere nautische Literatur bringt. Nur in Sachen „Housekeeping“ müssen wir noch selbst etwas die Lappen schwingen, bevor wir Taschen und Proviant verstauen können. Man merkt der Evenstar an, dass sie als Ausbildungsschiff für Yachtmaster-Kurse der RYA fährt und dass David sie auch gerne mal selbst in seinem Heimatrevier segelt: Die Ausrüstung umfasst eine Sturmfock, einen Spi, zwei Kartenplotter, AIS, Radar, nagelneue Rettungswesten und ein neues durchgelattetes Großsegel mit Lazyjacks – alles tipptopp. Nachmittags muss dann allerdings doch noch eine kaputte Bilgepumpe ausgetauscht werden und irgendwie hat auch noch niemand so richtig gefrühstückt. Irgendwann wird dann doch noch alles fertig und Erhard macht eine ausführliche Sicherheitseinweisung. David bringt uns noch einen Spibaum und geizt auch nicht mit Tipps und Hinweisen zu Revier, Häfen und Ankerplätzen.
4.8. 2019 Sonntag: Aufgewacht bei ergiebigem schottischen Regen, aber heute geht es los. So überzeugend die Evenstar auf der nautischen Seite aufgestellt ist, so dürftig ist die Ausstattung an ‚Pött un Pann’. Um so größer die Freude als Ida bei den Waschmaschinen einen Espressokocher findet. Kurz bevor wir ablegen, kommt David noch mal vorbei und bringt frisch berichtigte Seekarten von „Britanniens einsamster Insel“, das 70 sm westlich der Äußeren Hebriden gelegene Archipel von St. Kilda. Dazu noch weitere nützliche Tipps – Michaela freut sich. Um kurz vor 11:00 Uhr schiebt uns das ablaufende Wasser zunächst nach Süden durch Loch Shuna. Leichter raumer Wind um die 10 kn, Bewölkung und ab und zu eine Dusche, die aber nie kalt ist. Das Dinghy butschert hinterher und gegen 1200 halsen wir und gehen um die Südspitze der Insel Luing herum wieder auf Nordkurs in den Sound of Luing. Eine halbe Stunde später kentert die Tide und die Evenstar schlingert und schliddert in Zeitlupe durch die Stromwirbel, die den Bug zeitweilig um 40 Grad gegen den MgK versetzen. Wir passieren den Leuchtturm Fladda an Steuerbord und fahren weiter nach Norden an der Westsseite der Insel Seil entlang, zwischen Easdale Bay und Insh. Gegen 15:30 Uhr schläft der Wind allerdings komplett ein und wir schmeißen die Maschine an. Nordwärts geht es durch den Firth of Lorn, vorbei am Leuchtturm Lady’s Rock, der Insel Lismore und William Black’s Memorial Tower. Gegen 16:30 Uhr sind wir im Sound of Mull. Am Abend erreichen wir die schmale Einfahrt von Loch Aline und machen während eines kleinen Begrüßungsschauers an einer Schwimmsteganlage gleich vorne im Loch fest.
Andreas, der sich gerne und kenntnisreich mit Wolken beschäftigt, hält seine Beobachtungen folgendermaßen fest: „Wolken sind wie eine Sprache, die uns Auskunft geben können über das Wettergeschehen zumindest für die kommenden Stunden, vielleicht sogar für den nächsten Tag, sofern wir Luftdrucktendenz und Windrichtung einbeziehen. Oft haben wir hier ein Wolkenpanorama in Rundumsicht, das gut der Hälfte der im Wolkenatlas verzeichneten Typen entspricht. Überwältigend geradezu die gigantischen Ausmaße von cumulus congestus (mächtig aufquellend, blumenkohlartig), ohne dass es auf See zu Gewittern kommt, auch wenn wir gelegentlich altocumulus castellanus als Vorboten sehen.“
5.8.2019 Montag: Morgens schwachwindig und regnerisch. Im Sound of Mull gibt es dann doch noch schönen Wind und Sonne, so dass wir beschließen, an unserem ursprünglichen Ziel,
Tobermory vorbei zu segeln und gleich die Insel Rum anzusteuern. Leider ist die Freude nicht von Dauer und noch vor Cape Ardnamuchan bekommen wir es mit Winddrehern, Kapeffekten und generellen Einschlaferscheinungen des Windes zu tun. Bei kaum einem Knoten Fahrt geht der Motor wieder an, damit wir noch bei Helligkeit die Ankerbucht erreichen können. In der Abendsonne findet sich auch noch eine lohnenswerte Baustelle für Andreas M. und Erhard: Der Baumniederholer schamfilt am Mastfuß an elektrischen Leitungen. Die beiden machen sich ans Werk, sichern kritische Stellen mit Tape und entlasten den Kabelbaum mit einem Schlauchstück. Die Reste einer kaputten Klemme an der Travellerschiene werden abgebaut, die Leinenführung der Großschot wird verbessert und dem Vernehmen nach bleiben auch nur wenige Teile übrig. Am Abend gehen wir in dem einsamen und entlegenen Loch Scresort auf der Insel Rum an eine Mooring.
6.8.2019 Dienstag: Nach dem Frühstück geht es in zwei Dinghy-Touren zum alten Anleger. Vorbei an einem charmanten „visitor’s information“ Schuppen, kleinen Hütten und dem Bunkhouse. Wir laufen um das Loch herum zur Community Hall – die Insel befindet sich im Besitz der Scottish Natural Heritage und wird von etwa 30 Menschen bewohnt. Wir bestaunen das imposante Kinloch Castle und gehen die etwa 450 m hoch zum Coire Dubh Viewpoint.
Gegen halb vier segeln wir mit wenig Wind in Richtung Isle of Skye. Die Sonne kommt raus, der Wind frischt auf und wir haben einen kurzen, aber wunderschönen Segelnachmittag rüber nach Skye ins Loch Scavaig. Es wird vom Pilot des Clyde Cruising Club als „one of the most dramatic and awe-inspiring anchorages in Europe“ beschrieben. Und tatsächlich – die Gipfel der Black Cuillins erheben sich knapp über 1000 m hoch rings um das mir Felsbrocken gesprenkelte Loch. Schwarzer Stein, überall Wasserfälle und in den Bergen hängen zerfetzte Wolken. Beim ersten Ankermanöver hält der Anker nicht gut, fördert aber beim Aufholen riesige Mengen extrem großblättriger Algen nach oben. Beim zweiten Versuch sitzt der Anker und nachdem wir Position und Peilungen notiert haben, geht es mit dem Dinghy an Land und wir erkunden die Ufer des Süßwassersees Loch Coruisk. Es gibt keine Gebäude, keine Straße führt hierher und es ist fast gespenstisch still zwischen den hohen vulkanischen Hängen und den matschigen Wiesen. Zurück an Bord gibt es ein kaltes Nachtessen mit dem letzten (warmen) Bier. Genau wie im Pilot des CCC angegeben, zeichnet sich Loch Scavaig durch heftige Fallböen aus. Der Anker hält einwandfrei, aber die ganze Nacht über gibt es heftige Schauerböen und mit dem neuen Tageslicht beobachten wir durch den offenen Niedergang wie die Landschaft mit immer neuen Wettererscheinungen nur so vorbeischießt, während die Evenstar in einem Viertelkreis um ihren Anker schwojt.
7.8.2019 Mittwoch: Auch morgens starke Schauerböen. Den letzten Mobilfunkempfang und damit Wetterbericht hatten wir gestern Morgen und wegen der starken Fallböen haben wir keine genaue Vorstellung vom Wetter draußen. Wir gehen also Anker auf und stecken mal die Nase raus. Dann geht es auf Westkurs durch den Soay Sound bis hinaus auf die Hebridensee, wo uns die Dünung erfasst und der Wind weiter auffrischt. Vor die Wahl gestellt, gegen den auf Nord drehenden Wind aufzukreuzen, um am Abend zwar im gleichnamigen, nach Nordwesten offenen Loch Talisker Whisky verkosten zu können, aber wieder kaum Infrastruktur und Versorgungsmöglichkeiten zu haben, entscheiden wir uns für den Gegenkurs und beschließen, nach Mallaig am Festland zu segeln und die nächsten Tage östlich von Sky durch den Sound of Sleat zu fahren. Auf Raumschotskurs rollt das Boot ordentlich in der Welle und wir liegen zwei mal bei, um das Dinghy erst auf den Heckspiegel, dann aufs Vorschiff zu verholen. Gegen 16 Uhr gibt es Suppe und kaum sind die Teller leer kommt die Sonne raus und wir fahren bei N 3-4 am Wind nach Mallaig, einem schönen Fischerei- und Fährhafen mit Dampflokanschluss.
8.8.2019 Donnerstag: Nach einer geheimnisvollen nächtlichen Kuchenbäckerei riecht die Kajüte ziemlich verräuchert und Andreas „Cello“ besorgt lieber Geburtstagscroissants in der Bäckerei am Hafen. Um 12:30 Uhr legt das Geburtstagskind ab und steuert uns durch den Sound of Sleat. Ohne Wind geht es unter Motor nach Norden und wir bewundern die grandiose Landschaft. Abends in Lochalsh gibt es Kuchen und Champagner.
9.8.2019 Freitag: Die Wetteraussichten für die nächsten Tage bestehen vor allem aus gale warnings und cyclonic winds bis zu 9 Bft aus Nordosten. Noch im Schlafsack gehen wir unsere Optionen durch: Der BBC Wetterbericht von Stornoway Coast Guard erwartet für heute Nachmittag eine Troglage mit Rückseitensturm. Meeno Schrader erwartet den Höhepunkt allerdings später, so dass wir auch die Möglichkeit erwägen, noch mit dem Ostwind weiter nach Norden zu kommen, zumal wir in den Revierführern und Seekarten im Norden von Skye einfach keine nach Nordosten geschützten Häfen finden. Während wir noch überlegen und beraten, verzeichnet die Stationsmeldung aus Tobermory, 40 sm Luftlinie entfernt, schon jetzt 25kt (Böe 37kt). Nach Süden zurück zu gehen scheidet also auch aus. Um 11 Uhr sendet Stornoway erneut eine Sturmwarnung per SÉCURITÉ- Sicherheitsmeldung.
Also Hafentag. Zusammen mit den Stegnachbarn bereiten wir uns auf den Starkwind vor, verholen die Boote, stecken zusätzliche Leinen und basteln in der Plicht eine Behelfspersenning aus einer Baumarktplane, die allerdings dann so viel Krach macht, dass sie noch vor dem Abendessen wieder in der Backskiste verschwindet.
10.8.2019 Samstag: Morgens Sonne und ruhiges Wasser in Lochalsh – Nordwind um 15 kn: Die Front ist also schon durch. Der Stegnachbar von den Orkneys hat noch ein paar Tipps und Hinweise zu Häfen im Nordwesten und auf den Äußeren Hebriden, und so beschließen wir, die 20 sm nach Portree an der Ostküste Skyes zu kreuzen. Als wir nordwärts unter der Skye Bridge durch den Inner Sound segeln, hören wir weitere gale warnings in fast allen Vorhersagegebieten. Die Sicht ist mäßig, aber die Insel Raasay bietet Abdeckung gegen den Nord-Nordwest, der jetzt mit gut 6 Bft bläst. Im engen Sound of Raasay können wir dicht unter Land die Schafe zählen und nutzen die letzten Minuten Ruhe, um Groß und Fock einzureffen. Kaum aus der Abdeckung heraus, beginnt die wilde Party auch schon, wir kreuzen mit kurzen Schlägen, der Wind frischt auf 25-30 kn auf und der Luftdruck steigt binnen weniger Stunden von 990 auf 1001 hPa an. Die Evenstar krängt erheblich, liegt aber mit drei Reffs gut auf dem Ruder. Basstölpel schießen uns vor dem Bug herum und am Nachmittag kommen ein paar Delfine zu Besuch. Ein gutes Dutzend Wenden später schnappen wir uns in der Bucht von Portree eine Mooring, steigen ins Dinghy und finden uns an einer Fish and Chips-Bude zu einem heißen und fettigen Abendessen ein.
11.8.2019 Sonntag: Das Tief Yap zieht langsam ab und am frühen Nachmittag hat sich der Wind abgeschwächt. Wieder auf Nordkurs im Sound of Raasay kreuzen wir erneut gegen den Nordwind, diesmal aber mit ca. 2m Welle dazu. Heute ist der Wurm drin – wir laufen nicht genug Höhe und die Schaukelei ist ermüdend. Staffin Bay wäre näher als das ursprüngliche Ziel Gairloch auf der Insel Rubha na Moine, aber niemand hat große Lust, bei dieser Dünung in der nach Norden ungeschützten Bucht Ankerwache gehen und sich eventuell nachts verholen zu müssen. Gairloch ist besser geschützt, wäre bei dieser Geschwindigkeit über Grund aber nicht vor 23 Uhr bei Dunkelheit zu erreichen. Um kurz nach 19 Uhr geben wir dieses Unterfangen auf und segeln raumschots zurück nach Portree. Andreas entdeckt einige Lenticularis-Wolken und erklärt, „für uns Flachländler ein seltener Anblick. Diese linsenförmigen, UFO-ähnlichen Wolken entstehen durch Absinkvorgänge auf der Leeseite von Gebirgen, deren Gipfel hier immerhin über 900 m erreichten.“ Noch vor Portree bringen Nudelsuppe, Guacamole und die Aussicht auf eine Mütze ruhigen Schlafs die Lebensgeister wieder zurück.
12.8.2019 Montag: Nach einem kurzen, leider erfolglosen Dinghy-Abstecher zur Fischhalle kommen wir heute früh los. Der Wind hat auf Süd gedreht und gegen Mittag kreuzen wir unser gestriges Kielwasser und bestaunen den Wasserfall von Elishadder, der von einem großen Binnenloch gespeist wird. Mit dem ablaufenden Wasser segeln wir vorbei an Staffin Bay und essen kurz vor dem Kap an der Nordspitze von Skye eine Spaghettimahlzeit mit Thunfisch. Stornoway sagt für die nächsten 48 Std. W/SW 3-5 voraus, wir luven an und genießen den Halbwind-Schlag über den Minch mit Kurs auf die Äußeren Hebriden. Am Abend erreichen wir das Archipel von East Loch Tarbert und gehen auf der Insel Scalpay (ca. 300 Einwohner) im North Harbor an einen nagelneuen, EU-geförderten Schwimmsteg.
Andreas wird sich später so an diesen Schlag erinnern:“ „Emotionaler Höhepunkt war für mich die Querung zu den Äußeren Hebriden. Plötzlich war der Wind weg. Michaela warf nicht den Motor an, sondern ließ Felix Mendelsohns Hebriden-Ouvertüre ertönen. Alle lauschten an Deck. Danach füllte eine Brise unsere Segel und ganz im Duktus des ersten Themas nahm unser Schiff wieder Fahrt auf. Mich hat das sehr berührt, habe ich doch diese Komposition oft im Orchester gespielt“.
Auf Scalpay hören wir bei der Suche nach dem Hafenmeister aus der offenen Tür eines Schuppens ein schnelles Klack-Klack-Klack. Als wir neugierig hinein spähen, begrüßt uns ein junger Mann und lädt uns ein, seinen Webstuhl aus der Nähe zu bewundern. Donald, so erzählt er, ist eigentlich Hummerfischer, stellt aber im Nebenberuf den berühmten Harris Tweed her, den seine Frau Catherine dann über Facebook im Internet vertreibt. Er erklärt uns die Funktionsweise des über 80 Jahre alten Hattersley-Webstuhls, den er fast wie ein Musikinstrument behandelt, und dann dürfen wir uns auf seinen Platz setzen und mit zwei Fußpedalen die Webschiffchen durch die Kettfäden schießen. Im Grunde ist die Maschine eine Art mechanischer Computer – das typische Muster wird von einem Streifen metallener Lochkarten abgetastet. Kein Zweifel – der Mann liebt seine Arbeit. Nur der bevorstehende Brexit macht ihm Sorgen, wie allen hier.
13.8.2019 Dienstag: Morgens haben wir schon wieder drei Jahreszeiten pro Stunde. Andreas’ Regel „Mackerel sky, mackerel sky (also Cirrocumulus plus Altocumulus), not long wet, not long dry“ bewahrheitet sich wie so häufig. Der Hafenmeister unterbricht seinen Kampf gegen den Möwendreck, damit wir am Fischereipier noch Diesel bunkern können. Nach einem kleinen Schnack mit der Besatzung der einzigen anderen Yacht im Hafen, darunter ein Austernzüchter aus Ullapool auf Segeltörn, legen wir ab und fahren vorsichtig mit dem starken Strom unter der Scalpay Bridge (20m) durch in den Sound of Shiant. Im North Minch können wir anluven und rauschen mit 9 kn nach Norden Richtung Stornoway und vorbei am Leuchtturm Arnish Point in den Stornoway Harbour. Wir passieren eine veritable Kutterflotte, eine riesige „Begrüßungsrobbe“ und werden freundlich und sehr professionell vom Hafenmeister in Empfang genommen, der uns eine ganze Mappe mit Flyern, Serviceangeboten, WiFi- und Türcodes und Tidenkalenderauszügen übergibt. Stornoway ist der nördlichste und größte Hafen der Insel Lewis and Harris, ein geschäftiger Fährhafen und für mehrere große Ausbildungsyachten und Langfahrtsegler das Tor zum Nordatlantik. Nur unsere Lachsseite müssen wir im Supermarkt kaufen.
14.8.2019 Mittwoch: Morgens kaum Wind. Bei der überaus freundlichen Lady von der imposanten Stornoway Port Authority bekommen wir nebst guten Wünschen noch einen mehrseitigen Farbausdruck mit frischem weather forecast ausgehändigt. Andreas und Michaela können dann in der Kooperative endlich doch noch frischen Fisch kaufen. Nachdem wir uns per Funk abgemeldet haben, nehmen wir wieder Kurs auf den Leuchtturm. Schön hier, aber wir müssen zurück über den Minch zur Isle of Skye und gehen bei wenig Wind und Welle auf Ostkurs. Am Nachmittag stricken wir einen Wachplan und beschließen nach Beratung der Wetterlage, nicht zum Abend im nach Westen offenen Loch Gailoch zu ankern, sondern durch die Nacht nach Plockton oder Lochalsh zu segeln. So hoffen wir, vor dem angesagten starken Westwind in Mallaig zu sein. Zunächst lässt der Wind allerdings auf sich warten – und das bei 12 Grad Lufttemperatur und Dauerregen. Gegen 21 Uhr weht er wieder und dreht über Ost schließlich auf Süd-Südost. Für die beiden Wachen zwischen 210 und 03 Uhr ist jedes Wetter dabei, von Flaute bis über 20 kn, strömender Regen und Stille. Nur der Vollmond lässt sich nicht länger als ein paar Minuten in einem Wolkenloch blicken. Während sich draußen, westlich von Skye die vorhergesagten 27 kn zusammenbrauen, suchen wir die Landabdeckung im Inner Sound, der hier bis 150 m tief ist. So beunruhigt es nicht übermäßig dass die Instrumente immer mal wieder kurz aussetzen. Um 04:45 Uhr sind wir bei über 20 kn Wind wieder in freiem Wasser und machen auf Raumschots- und Vorwindkurs nur unter Großsegel 8 kn Fahrt. Wir nähern uns der Skye Bridge und strengen uns an, die Tonnen und Feuer zu identifizieren. Gegen 6 Uhr kommt uns die einsetzende Dämmerung zur Hilfe und mit dem Strahler finden wir einen Liegeplatz vor dem Hotel in Lochalsh. Kaum festgemacht, rückt Andreas M. mit der Nachricht heraus dass heute sein Geburtstag ist und schenkt eine Runde Talisker aus. Danach hauen wir uns aufs Ohr und treffen uns gegen 1000 Uhr deutlich besser ausgeruht zum Geburtstagsfrühstück.
15.8.2019 Donnerstag: Nach einem kurzen Landgang und Geschenken für Andreas & Andreas legt das Geburtstagskind ein Ablegemanöver nur unter Segeln hin. Gleich danach wird gehalst und wir gehen südwärts durch den Kyle Rhea. Laut Seekarte und Literatur setzt der Tidenstrom hier bis zu 8 kn. Jetzt (HW Ullapool +1 h) schiebt uns der Strom, Andreas feiert am Steuerrad und wir kreuzen bei Sonne durch den Sund. Der Kyle Rhea verengt sich auf weniger als zwei Kabel Breite, wir wenden alle paar Minuten und langsam gleicht das Wasser um uns herum einem Kochtopf voll Nudelwasser. Gegen 16 Uhr wird klar, dass hier zum einen sehr besondere Bedingungen herrschen und dass wir zum anderen zu lange getrödelt haben. Erhard peilt, Michaela navigiert, aber es gibt nichts zu beschönigen – der Kyle Rhea verengt sich weiter, der jetzt (HW Dover +4h) nordwärts setzende Strom wird stärker und so manchen Schlag fahren wir effektiv rückwärts. Gegen 1630 setzen 5-6 kn Strom gegenan. Unter Maschine (2500 rpm) machen wir zwischen 0,5 und 1,5 kn FüG. Der Track auf dem Plotter gleicht einem Slalom und zeigt zum Teil gar keine Fahrt voraus. Jede Menge Robben toben durch die schäumenden Wirbel und wir loggen kaum 2sm in eineinhalb Stunden. Etwa eine Stunde vor HW hört der Spuk auf und die FüG nähert sich wieder der FdW an. Aber immer noch 15 sm vor uns, bis wir gegen neun wieder in Mallaig sind, wo die erste Crew ihr letztes Anlegemanöver fährt – vor dem Wind „katholisch“ in die Box.
16.8.2019 Freitag: Hafentag, das Boot wird aufgeklart und geputzt, Gas gekauft und eine kleine Wanderung unternommen. Im Laufe des Abends kommen Jutta und Manu an und wir treffen uns alle an einer großen Tafel im Seafood-Restaurant ‚The Cabin’, wo uns der gut gelaunte Kellner mit neuseeländischen, deutschen und schottischen Wurzeln zu Ansichtszwecken einen lebenden kleinen Hummer auf den Tisch legt.
17.8.2019 Samstag: Die kleine blaue Hafenkarre shuttelt zwecks Crewwechsel mehrmals zwischen Bahnhof und Steg. Aus Berlin erreichen uns schlechte Nachrichten – Cordula kann wegen eines Todesfalls nicht mitsegeln. Werden wir das auch zu viert schaffen?
18.8.2019 Sonntag: Nachdem die zweite Crew nun komplett ist, machen noch kurze Landgänge, Erhard weist die „Neuen“ in die Sicherheitseinrichtungen ein und wir fahren zum Warmwerden ein paar An- und Ablegemanöver, die auch gleich super klappen. Los geht’s! Loch Nevis, das für heute angepeilte Ziel ist zwar nicht weit, dafür aber wild, einsam und schön. Im Revierführer steht etwas von drei Gebäuden, eines davon ein Hotel. Als einziges Boot machen wir an einer Mooring in Torr an Albanaich fest. Unsere Hoffnungen auf kühle Drinks an der Hotelbar zerplatzen jäh: Der Ort wird durch ein kleines Wassertaxi bedient, das just in diesem Moment ablegt und die gesamte menschliche Bevölkerung mitnimmt. Zurück bleibt nur ein freundlicher Hund, der uns nach und nach sein Revier vorführt und uns alle seine Spielsachen vor die Füße legt. Sonst sind hier nur Schafe und Hühner zu Hause und bei unserer kleinen Wanderung sehen wir Damwild und stoßen gleich auf das nächste Binnenloch. Viel Wasser hier!
19.8.2019 Montag: Um kurz nach 10 Uhr machen wir los und laufen nur unter Genua im Loch Nevis schon fast 6 kn. Die Genua macht etwas Sorgen: Am Achterliek geflickt ist auch das Patch schon arg lädiert. Gegen Mittag sind wir wieder querab von Mallaig und müssen gegen 5Bft motoren. Der Wind weht hartnäckig aus Südwest und so beschließen wir auf der anderen Seite des Sound of Sleat den Fährhafen Armadale Bay auf Skye anzulaufen, um den vorhergesagten Westdreher abzuwarten. Dort gibt es Kaffee unter Deck, bis der Wind nach zwei Stunden langsam dreht und nachlässt. Michaela telefoniert wegen der Schäden an Vorsegel, Radar und Windinstrument mit David. Beide Instrumente scheinen ein Kabelproblem zu haben, jedenfalls empfangen sie keine Daten vom Mast. David bietet an, mit einer anderen Yacht durch die Nacht zu fahren, um uns am Morgen in Tobermory zu treffen und ein anderes Vorsegel zu bringen. Wir machen uns jetzt schon auf den Weg und erreichen gegen 17 Uhr den Point of Sleat, die Südspitze Skyes, vorbei an der Insel Eigg umrunden wir schließlich um 20:30 Uhr den aus dem Wetterbericht schon gut bekannten Point of Ardnamuchan mit dem imposanten Leuchtturm. Es ist bewölkt und Jutta und Manu steuern beide lange – die Entscheidung, zu warten stellt sich als richtig heraus. Der Wind hat inzwischen auf Nordwest gedreht als die Dämmerung einsetzt und wir von Westen in den Sound of Mull einbiegen. Vorbei an den Leuchttürmen Ardmore Pt. und Rhuba Nan Gall nähern wir uns zum zweiten Mal Tobermory, diesmal in pünktlich zur Ansteuerung einsetzendem Regen. Mittlerweile ist es dunkel geworden und wir manövrieren vorsichtig mit dem Strahler durch das Bojenfeld zum Steg. Rührei mit Parmesan ist schnell gemacht und bringt die Lebensgeister zurück. Ein kurzer Landgang muss auch noch sein bevor wir mit der richtigen Bettschwere in die Kojen sinken.
20.8.2019 Dienstag: Gegen 12 Uhr macht David mit der GOLDSTAR neben uns fest und bringt eine (größere) Ersatz-Genua an Bord. Die lose Kabelverbindung in der Steuersäule wird repariert, die Undichtigkeit in der Achterkabine abgedichtet und Michaela ins Rigg gewinscht, aber die festsitzende Radarantenne bleibt fest. David braucht nach dem Nachtschlag ein Nickerchen und wir einen Landgang in der Sonne. Für eine Verkostung in der malerischen Distille haben wir leider keine Zeit, sondern wollen lieber den Nachmittag und das bisschen Wind nutzen um südostwärts durch den Sound of Mull zu segeln. Der kurze Raumschotsschlag endet mangels Wind leider schon wieder in Loch Aline, wo wir uns mit Landstrom und WiFi trösten. Es wird ein langer, schöner Abend im Salon mit leckerem Curry, alten und neuen Geschichten und Manus leckerem Whisky…
21.8.2019 Mittwoch: In der Nacht hat der Wind stark aufgefrischt und weht morgens mit SW 5, dann 6. „Crew ist ruhebedürftig“, verzeichnet das Logbuch knapp und wir nutzen den Tag für Waschgänge, Telefonate, Schmökern und Spaziergänge.
22.8.2019 Donnerstag: Mit einem schönen Südwind Stärke 5 legen wir ab und fahren durch den engen Eingang des Lochs wieder südostwärts durch den Sound of Mull. Kurz vor Ardtornish Bay fallen plötzlich alle drei GPS-Empfänger aus, auch beide iPads geben eine falsche Position an. Peilkompass und Dreiecke kommen zum Einsatz, wir haben Glück mit der Landsicht und können sofort mittels dreier MgP unsere Position terrestrisch bestimmen. Nach einer halben Stunde ist der Spuk vorbei und die Geräte tun es wieder. Vorbei an den Leuchttürmen Eilean Glas und Lady’s Rock überqueren wir den Firth of Lorn. Wind 22 kn, Böe 26, aber wir haben es nicht weit, sondern gehen in Oban an die Nordpier, wo unsere Leine von einem Studi von der Walross IV des ASV angenommen wird. Der Landgang führt uns zu Caig’s Tower, einem historisierenden „römischen“ Circus Maximus, den der Banker und Kunsthistoriker Mac Caig hier im Jahr 1900 hat bauen lassen. Abends Fisch aus dem Bordofen.
23.8.2019 Freitag: Der Tag beginnt etwas langsam, aber um 12 geht es los und wir kreuzen bei 15-22 kn Wind um Süd den Firth of Lorn hinunter. Kaum an der Insel Kerrera vorbei kommt auch die Sonne dazu und wir reffen zwischen Mull, Seil und der kleinen Insel Insh mehrmals ein und aus. Kurz nach 16 Uhr haben wir die Insel Easdale querab. Zwischen Seil im Norden, Luing im Süden und Torsa im Osten liegt der schmale Cuan Sound, der für Tidenströme von 5-7 kn, starke Stromwirbel und unmarkierte Felsen berüchtigt ist. Zum Glück erreichen wir ihn bei Niedrigwasser, als die Tide gerade kentert. Trotzdem nehmen wir den Motor und ein iPad dazu und gehen mit zwei Ferngläsern sorgfältig Ausguck. Abends liegen wir ruhig an der Mooring in Loch Melfort.
24.8.2019 Freitag: Der Sog des Corryvreckan – Während Jutta und Manuela engagiert steuerten, hatte Michaela nicht nur aus dem „Keltischen Ring“ von der RUSTICA im Gulf of Corryvreckan vorgelesen, sondern auch die nautische Literatur ausgewertet: Wir haben es zu tun mit „one of the most notorious stretches of water anywhere around the British Isles“, sagen die Sailing Directions des Clyde Cruising Club. Der Tidenstrom erreicht hier zur Springzeit 8,5 kn und 6,5 kn zur Nippzeit. Besonders vor anhaltendem Westwind bei gegenläufiger Tide wird gewarnt: „A passage at this time would be unthinkable“ (CCC, Kintyre to Ardnamuchan, p. 80) Nach mehreren Tagen mit Westwind kann es nahe des Nordkaps von Jura, Carraigh Mhor, einen „overfall [geben], perhaps better described as a solid wall of water“. Glücklicherweise beträgt laut Reeds der tidal coefficient 45/41, also haben wir mittlere Nipptide. Außerdem können wir es mir den „tidal gates“ vom Sound of Luing und Dorus Mor zu tun bekommen, auch hier bei Springzeit mit 8 Knoten. Der westsetzende Strom beginnt bei HW Dover -0120 hrs bzw. HW Oban +0410.
Ja mach nur einen Plan! Wir bummeln rum, fahren vormittags zum Steg, bunkern Wasser und machen um 1230 die Leinen los und verlassen Loch Melfort. Mit zwei Reffs im Groß kreuzen wir bei zunächst 5 Bft entlang der Insel Shuma nach Süden. Mit 7 kn Fahrt erreichen wir das Inselchen Reisa Mhic Phaidean, das genau östlich des Eingangs zum Gulf of Corryvreckan liegt. Wir spähen hinüber zur Öffnung zwischen Scarba im Norden und Jura, aber es ist klar, dass wir viel zu früh dran sind: Die westgehende Strömung setzt erst in knapp zwei Stunden ein und selbst wenn wir durch wären, müssten wir noch 25 sm kreuzen, um dann im Dunkeln in Loch Tarber auf der Westseite von Jura anzukommen. Wir entscheiden uns also gegen die Durchfahrt des Gulf of Corryvreckan und segeln weiter in südöstlicher Richtung in den Sound of Jura.
Als der Wind am Nachmittag einschläft, gehen wir in Lee einer winzigen Insel in der Carsaig Bay vor Anker. In der Abendsonne wird das Dinghy klargemacht und wir spazieren über Juras schmalste Stelle zum Naturhafen Tayvallich, der zum Loch Sween gehört. Hierher auf eigenem Kiel zu gelangen hätte uns 18 sm in die Gegenrichtung gekostet, und so genießen wir den Abendspaziergang, sehen uns die Dorfkirche und das Naturreservat an und fotografieren die Postkartenidylle auf dem Heimweg nach Westen.
25.8.2019 Sonntag: Morgens scheint die Sonne – leider aber ganz ohne Wind. Also motoren. Mittags stellen wir den Jockel mal kurz ab und springen ins Wasser. Die Temperatur ist durchaus erfrischend, aber natürlich hat die Bavaria am Heck eine fast ganz funktionstüchtige heiße Dusche. Am Nachmittag erreichen wir die Insel Gigha, auf deren Ostseite wir an einer Mooring festmachen und mit dem Dinghy zum Steg fahren. Plötzlich Sommer, Sonne, Sonntagnachmittag! Der Strand ist voll von Ausflüglern mit Motorbooten und Motormobilen vor dem empfehlenswerten Restaurant „Boathouse“. Als Anlegeschluck bekommen wir einen perfekt temperierten Weißwein und bleiben fast den ganzen Nachmittag mit nackten Füßen im Sand sitzen. Dann erkunden wir aber doch noch die Kirche, die Bucht und den Fähranleger. Am Ortsausgang gibt es einen Steinhaufen, der einige von uns an die Pier von Horta auf den Azoren erinnert: Ein Ort, wo Yachties ihre Törns verewigen. Für uns übernimmt das dankenswerterweise Jutta und verziert eine Muschelschale gekonnt mit unserem Clubstander.
26.8.2019 Montag: Die Sonne scheint weiter und wir kreuzen mit kommoden 4 Bft aus SW durch den Sound of Gigha. Am frühen Nachmittag dreht der Wind auf SE und mit einem Schlag können wir die 15 sm rüber zur Insel Islay anliegen. Dies ist die Insel mit der größten Dichte von Distillen einiger der berühmtesten Single Malts. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Wir schaffen es nicht, auch nur eine einzige von ihnen zu besuchen. Also bewundern wir die strahlend weißen Gebäude von Laphroigh vor der dunklen Steilküste aus der Entfernung und gehen nach Port Ellen. Dort laufen wir um die ganze Bucht, das Postamt, eine Telefonzelle, zwei Läden und zwei Inns.
27.8.2019 Dienstag: Zwischen Islay und Jura liegt der schmale Sound of Islay, der sich auch durch seinen starken Tidentrom auszeichnet. „Ride the tide“, hatte David uns empfohlen, und wir stellen zu diesem Zweck unsere Wecker auf 07 Uhr und nehmen (schon im Ölzeug) ein schnelles Müslifrühstück ein. Bei viel Welle motoren wir aus der Bay, gehen um die kleine Insel Texa herum und schippern raumschots im Lauf des Vormittags vorbei an den Distillerien Lagavullin und Ardbeg. Zum Lunch gibt es eine kurze Flaute, aber zur Einfahrt in den Sund sind wieder 10 kn Wind in den Segeln. Das Timing war richtig und der Strom schiebt uns erst mit 3, später mit fast 5 kn! Vorbei an markanten Leuchttürmen und weiteren Distillen (die wir alle nicht besuchen können, weil die Segelei so schön ist) rauschen wir raumschots mit guten 10 kn FüG dahin – Segeln wie E-bike fahren!
Wir luven immer weiter an, um in das trichterförmige Loch Tarbert in der Mitte der Insel Jura einzufahren. Das äußere Loch beschert uns bei auffrischendem Wind einen schönen Amwindkurs, aber die Einfahrt ins innere Loch unternehmen wir lieber unter Motor. Eine halbe Stunde lang entspinnt sich ein Richtmarken-Krimi, während dessen wir vier Paare unbefeuerter Markierungen abarbeiten, jede nur unwesentlich größer als die zufällig auf den Hängen herumliegenden Steine. Die Wassertiefe fällt schnell ab und wir fahren pedantisch den vorgegebenen Zickzackkurs, bis wir gegen 15 Uhr endlich am eigenen Anker im inneren Loch liegen.
Statt nun dem Impuls nachgeben zu können, stolz zu Hause von den Ereignissen und Heldentaten dieses Segeltages zu berichten, stellen wir fest, dass es hier absolut kein Funknetz gibt. „Beautifully remote“, hatte David geschrieben – dies ist tatsächlich der einsamste Platz südlich von Ardnamuchan Point. Unser Landgang führt uns zu einem Binnensee mit Süßwasser. Außer den Besatzungen von zwei anderen Booten sehen wir keine Menschen, aber auch dies ist eine Kulturlandschaft und nicht etwa „unberührte Natur“. Ein kleiner Anleger aus Zement, ein Angelsteg, Reifenspuren. Gegen Mitternacht frischt der Wind erheblich auf und dreht von Ost auf Südost. Das Baro fällt bis zum Morgen um 6 hPa. Starker Regen und Böen bescheren uns eine unruhige Nacht, aber der Anker hält.
28.8.2019 Mittwoch: Die Wecker klingeln um 06 Uhr und bei 5-6 Bft und Regen beginnt um halb acht unser inzwischen gut eingespieltes Richtmarkenballett. Gegen 8 Uhr, also 2 Stunden nach Hochwasser sind wir raus aus der flachen Rinne zwischen innerem und äußeren Loch Tarbert. Eine Stunde später ist der angesagte Winddreher da – NW 5-6. Jutta erkennt das sofort: Nordseewetter – und geht trotz anhaltender Duschen gut gelaunt Ruder. Michaela hat ausklamüsert, um welche Zeit wir trotz des tidenbedingt frühen Starts aus Loch Tarbert frühestens am Corryvreckan sein können, und so kreuzen wir bei amtlichem Schietwetter zur Insel Colonsay, um dort etwas zu verschnaufen und Zeit zu vertrödeln, bis wir Kurs auf Scarba nehmen können. Für eine Stunde haben wir in Lee der Insel an einer Mooring etwas Ruhe, kochen und essen Kartoffelsuppe, aber aus dem Ölzeug steigen wir erst gar nicht aus.
Als wir wieder losmachen kommt die Sonne schon fast durch und wir nehmen raumschots Kurs auf den Gulf of Corryvreckan. Schon deutlich vorher steht eine heftige Dünung von verwirrendem Wellenbild. Die letzten Seemeilen kreuzen wir daher vor dem Wind. Im Norden sehen wir die lange, stehende Brandungswelle, aka „the ‚Great Race’. „Strong tidal streams with eddies, races and overfalls occur at certain places. Streams setting through the gulf of corryvreckan are very dangerous.“ Das Timing schein richtig gewesen zu sein – wir erreichen den Eingang ziemlich genau zur slack tide, 0515+ HW Dover. Zwei weitere Q-Wenden später fahren wir in denselben ein – genau zum Kenterwasser und alles ist ruhig. Trotzdem magisch und absolut vorstellbar, dass alles hier auch ganz anders aussehen kann. Statt wie geplant nach Craobh Haven zu fahren, segeln wir noch ein bisschen rum und gehen dann in Crinan an eine Mooring.
Crinan besteht vor allem aus einer sehr lebendigen Werft und tatsächlich werden wir herzlich begrüßt und unternehmen einen langen Spaziergang entlang des Crinan Canal, bis wir den Abend unter den letzten Gästen des Hafenpubs ausklingen lassen.
29.8.2019 Donnerstag: Morgens gönnen wir uns heiße Duschen auf dem Werftgelände und WLAN im Coffeeshop an der Schleuse. Manuela und Erhard besuchen die Galerie der Landschaftsmalerin Frances Macdonald im Dachgeschoss des Hotels Crinan. Mittags ist zwar immer noch relativ viel Wind, 27 kn, aber es ist unser letzter Segeltag und so kreuzen wir gut gelaunt mit 2 Reffs im Groß los, um den Leuchtturm Ledges auf dem Inselchen Ruadh Sgeir zu umrunden. Die Rudergängerinnen geben jeweils alles, aber erst eine Analyse des Tracks gibt Klarheit, warum die Höhe und damit die VMG zu wünschen übrig lässt. Also versuchen wir uns für den Rest des Nachmittags in „grundreliefoptimierter Strömungsnavigation“ (Erhard), und schaffen es dann schließlich auch, den Leuchtturm zu umrunden. Abends landen wir in der beachtlichen Marina des Ardfern Yacht Center.
30.8.2019 Freitag: Die Wecker klingeln um 06 Uhr bei Regen und heulendem Wind – der Starkwind ist früher dran als angekündigt. Wir verbringen den Vormittag in den Kojen und nehmen mittags einen Abschiedslunch im Pub. Zu dritt bringen wir Manu zum Taxi und werfen gegen 18 Uhr die Leinen los. Der Wind hat erheblich abgeflaut und so erleben wir in etwas gespenstiger nebliger Stille die Wirbel im Dorus Mor, in denen sich unsere Fahrt über Grund zwischen 1,5 und 7,8 Knoten bewegt. Abends bringen wir die Evenstar nach Hause und machen mit dem letzten Tageslicht in Craobh Haven fest. Am nächsten Tag übergeben wir die Evenstar wieder an David. „Thanks for looking after her“, sagt er zum Abschied. Unser Törn ist zu Ende. Wir haben ein atemberaubendes Revier erlebt, extrem freundliche und hilfsbereite Menschen getroffen, ehrfurchtgebietende Landschaften gesehen und erfolgreich unsere Gezeitennavigationskünste entrostet.