22.9.-5.10.2024: Planung und Vorbereitung
Nachdem die Fahrtenabteilung des Berliner Yacht-Clubs im vorigen Jahr in der Bretagne gesegelt war, sollte es in diesem Jahr ins Mittelmeer gehen. Die sieben Fahrtenseglerinnen mit Skipperin Michaela trafen sich mehrmals zur Vorbereitung, sammelten Revierinformationen und segelten zur Vorbereitung zusammen einen Sonntag lang mit der X-99 der Fahrtenabteilung auf der Havel, bis alle Manöver -sogar mit Backstagen und Spi – sicher klappten. Nachdem sich die Crew in Olbia versammelt hatte, und zusammen nach Punta Nuraghe gefahren war, stellte sich bei der Übergabe heraus, dass die THYMUS (eine Dufour 430 GL, Erstwasserung 2023(!)) mitnichten seeklar war. Statt eines Dampferlichts hingen abgerissene Kabel aus dem Mast, Klemmen waren kaputt, der Inverter war nicht an die Steckdose am Naviplatz angeschlossen und eine Rettungsinsel war nur gegen Aufpreis und mit zwei Tagen Wartezeit zu beschaffen. Wir füllten also unzählige Formulare aus, telefonierten, verstauten, legten Strecktaue, verproviantierten uns und konnten am Sonntag die Übergabe machen und nach einer ausführlichen Sicherheitseinweisung einen Testschlag segeln, bevor es am Montag – nun auch mit Rettungsinsel – endlich los ging.
23.-24.9. Punta Nuraghe – La Caletta – Cala Gonone
In den ersten Tagen sollte eine Hochdrucklage mit schwachem Wind aus S bis SO das Wetter beherrschen, bis in der zweiten Hälfte der Wind schließlich über S nach W drehen sollte. Wir stellen unsere Routenplanung also wetterbedingt um und segeln und motoren zunächst bei schwachem Wind von Punta Nuraghe nach La Caletta. Dort machen wir am kommunalen Steg fest, der zwar keinen Strom oder Wasser bietet, dafür aber auch kein Liegegeld kostet. Abends Stadtspaziergang, erste lokale Spezialitäten verkostet und zum Abschluss des ersten Segeltags genießen wir an Bord einen Gin Tonic im Mondlicht. Am anderen Morgen nutzen wir den wenigen Wind, um im geräumigen Vorhafen ganz in Ruhe verschiedene Motor- und die ortsüblichen Anlegemanöver zu üben. Drehen auf dem Teller, rückwärts fahren in der engen Boxengasse, römisch-katholisch anlegen bei Seitenwind – wir probieren aus und rotieren durch bis alle sich sicher fühlen. Danach geht es los nach Cala Gonone im Golfo di Orosei, wo wir anders als die Tagestouristen aus „Cala Gommone“ (aka die „Bucht der Gummiboote“) die Küste auf eigenem Kiel erforschen können.
25.9. Cala Gonone – Cala die Luna – Porto Ottiolu Vorbei an der Tropfsteinhöhle der Grotta del Bue Marino, vor der wir leider nicht ankern dürfen, fällt der Anker in der Cala di Luna zum Mittagessen und für einen Dinghy- und Badeausflug zum Strand und den Höhlen. Mittags gehen wir wieder Anker auf und segeln nach Norden. Der Wind ist unstet und im Tyrrhenischen Meer seien isolated thunderstorms. Unter Groß und Motor segeln wir in den Sonnenuntergang und die Dunkelheit hinein. Die Nachtansteuerung von Porto Ottiolu ist dank eines Riffs und überspülter Steine südlich und östlich der Hafeneinfahrt nicht ganz unkniffelig, aber im Imray-Revierführer des RCC ist der Kurs um die N-Kardinaltonne und verschiedene Einzelgefahrenfeuer gut beschrieben und wir erreichen das malerische Porto Ottiolo vor Mitternacht.
Donnerstag, 26.9. Porto Ottiolo – Cala Galetta In einem langen Schlag nach Norden segeln wir am nächsten Tag mit gut auffrischendem Wind raumschots um die Isole Molara und Tavolara, vorbei an Porto Cervo und das Capo Ferro in das Archipel von La Maddalena hinein. Im Hauptort der Insel, Gala Galetta, liegen wir direkt unter den Augen des bronzenen Giuseppe Garbaldi. Immer noch sind in den Häfen dieses Reviers auch noch viele andere Augenpaare auf eine reine Frauencrew gerichtet, aber unsere römisch-katholischen Anlegemanöver sind inzwischen perfekt eingespielt. Die Livemusik von der Piazza ist bis weit nach Mitternacht zu hören.
Freitag, 27.9. Cala Galetta – Porto Vecchio Morgens gehen wir um die Westküste der Insel Maddalena herum und legen in der tief eingeschnittenen Bucht Stagno Torto am Capo Ferrari an der Nordseite der Insel einen Badestopp ein, um auf den Wind zu warten. Und der schöne Westwind kommt wie angesagt – bei frischen 23 kn rauschen wir flott über die Straße von Bonifacio in Richtung Korsika.
In Porto Vecchio an der Ostküste verbringen wir unsern einzigen Mistral-Hafentag, der praktischerweise mit einem crew change zusammenfällt, mit Reparaturen, Fischkauf und Open-Air-Konzert in der Altstadt. Abends kommt Bettina dazu und die Crew ist komplett. Nach einem schicken Abendessen stürzen sich Lea, Katharina, Heidrun und Wiebke ins Nachtleben und tanzen auf einem Open-Air-Konzert. Der Starkwind-Hafentag wird für kleinere Reparaturen an der Reffeinrichtung, Einkäufe, Wäschewaschen und Besuche der Altstadt und der Genueser Festungsanlagen aus dem 16. Jahrhundert genutzt. Abends gibt es Bouillabaisse von Michaela.
Nachdem sich der Mistral am Vortag mit W-SW 7-8 ein bisschen ausgetobt hat, ist es am Sonntag ruhiger, aber im Osten der Straße von Bonifacio steht noch erhebliche See. Nach einer Sicherheitseinweisung für Bettina und der ersten Halse im Golf von Porto Vecchio geht es am Wind mit Reff 1 nach Süden. Wir kreuzen wir um die Ile de Cavallo und Lavezzi herum nach Bonifacio, bis sich in den Kalksteinklippen schließlich die 1sm lange, fjordartige Hafeneinfahrt von Bonifacio vor uns auftut. Wie wahrscheinlich schon Odysseus, ist man froh, zwischen den 65m hohen Felswänden unterhalb der Zitadelle in ruhiges Wasser und die geschichtsträchtige Altstadt hinein zu fahren. Abends gibt es sensationelle Spaghetti Carbonara von Katharina.
Montag, 30.9. Bonifacio – Castelsardo Der Sonntag beginnt mit einer Besichtigung der Zitadelle und Frühstück hoch oben in der Altstadt, bevor es dann in einem langen Kreuzschlag wieder über die Straße von Bonifacio vorbei am Capo Testa an der Nordküste Sardiniens geht. Die Sonne scheint, wir haben Zeit uns mit Segeltrimm zu beschäftigen und verschiedene Steuerfrauen experimentieren mit verschiedenen „Interpretationen“ von Am-Wind-Kursen. Bald wird klar, dass wohl wieder eine Nachtansteuerung auf uns zu kommt. Die Kulisse mit dem auf einem Trachyt-Felsen gelegenen Kastell und der vorgelagerten Altstadt ist wirklich malerisch, hat aber auch sehr viele verwirrende Lichter zu bieten. Während an Deck bei Rotlicht volle Konzentration herrscht, köchelt unter Deck Milas Minestrone und duftet durch den Niedergang. An der steinernen Hafenmole mit Felsbrocken in der Einfahrt bewährt sich einmal mehr der Akkustrahler. Die moderne Marina an unterhalb des Castells hat freie Liegeplätze und binnen Minuten nach dem Festmachen steht die heiße Minestrone auf dem Tisch.
Dienstag, 1.10. Castelsardo – Santa Teresa Gallura Leider bleibt am nächsten Morgen zu wenig Zeit, um Kastell und Altstadt zu besichtigen und so belassen wir es bei einem kurzen Spaziergang, füllen nach einem Bilge- und Motocheck Öl auf und legen ab Richtung Osten. Für Donnerstag ist wieder Starkwind angesagt, aber heute ist zunächst so wenig los, dass wir zwischendurch den Motor zu Hilfe nehmen müssen. Um das Capo Testa herum segeln wir raumschots Richtung nach Osten, wo gegen Abend der Wind auffrischt und wir vor Sonnenuntergang in Santa Teresa Gallura festmachen. Es trübt sich ein und Cirrocumulus-Wolken ziehen auf. Bei viel Seitenwind nehmen wir beim Anlegen gerne die Hilfe der Marineros in Anspruch.
Mittwoch, 2.10. Santa Teresa Gallura – Cala Mangiavolpe Weniger Glück hat am anderen Morgen der französische Eigner einer Bavaria, als er beim Ablegen unseren Bug touchiert. Monsieur R. macht sofort wieder fest und kommt mit seinen Schiffspapieren an Bord. Nachdem alles geklärt ist, ziehen wir gleich das zweite Reff ein und kreuzen vor dem Wind Richtung La Maddalena-Archipel. Bei strahlender Sonne und um die 20kn Wind aus West ein fantastischer, wenn auch kurzer Segeltag!
Für den folgenden Tag ist wieder Mistral angesagt, Météo France und ItaliaMeteo funken Sturmwarnungen und Michaela und Bettina funken sich auf der Suche nach einem Liegeplatz die Finger wund, aber die Häfen auf La Maddalena sind voll. Schon am Nachmittag sind es 24 Knoten Wind, mehr ist angesagt und wir drehen etwas demoralisiert um, um es unter Motor in Palau zu versuchen. In diesem Moment kommt ein Marinero in seinem RIB aus einem der Häfen geschossen, und lädt uns ein, ihm zu folgen und in Cala Mangiavolpe festzumachen. Erleichtert verbringen wir den Abend am Kai vor der in italienischen Nationalfarben beleuchteten Zentrale der Guardia Costiera. Nebenan begrüßen uns unsere Nachbarn aus dem Heimatrevier vom Potsdamer Yachtclub!
Donnerstag, 3.10. Cala Mangiavolpe – Portisco Für unseren vorletzten Segeltag ist erneut Mistral in Sturmstärke angesagt, stündlich werden die nautischen Warnungen gesendet und Charteryachten zurückgerufen. Obwohl wir telefonisch schon einen Liegeplatz in Porto Cervo reserviert haben, entschließen wir uns für die sichere Variante und segeln schon früh morgens an der Costa Smeralda vorbei. Der Tag bringt leider auch viele Motorstunden, teils im strömenden Regen und unangenehme Kap-Effekte am Capo Ferro, aber auf diese Weise sind wir am Abend in der Marina di Portisco nahe unserem Heimathafen und können schon mal tanken. Abends wird der Grill eingeweiht – es gibt Muscheln und die riesigen Doraden von La Maddalena und aus dem Ofen kommen Wiebkes berühmte Bordmittel-Brownies zum Trost.
Freitag, 4.10. Portisco – Punta Nurahghe Leider sind die angesagten 8 Bft. da – es ist einfach zu viel Wind, um noch einen größeren Schlag um die Inseln zu machen und so verbringen wir den Vormittag lesend in der Hängematte auf dem Vorschiff und mit Strandspaziergängen, bevor wir am Nachmittag in einem einen kurzen letzten Schlag THYMUS in ihren Heimathafen zurückbringen.
Fazit: Bei fast immer frischem Wind, viel Sonne und wenig Regen ließ sich die sommerliche Segelsaison aufs Angenehmste um zwei Wochen verlängern. Das Tyrrhenische Meer, der Golf von Orosei, die mondäne Costa Smeralda, die raue Nordküste Sardiniens, das Maddalena-Archipel und die Straße von Bonifacio boten jeden Tag unterschiedliche und interessante Segelbedingungen. Nach 356 gesegelten Seemeilen bei mildem Klima und schönem Segelwind scheint nun auch an der Costa Smeralda der Herbst anzubrechen und wir fliegen etwas schweren Herzens zurück nach Berlin.